Portrait von Katja Bernhard
Katja Bernhard (Foto: Privat)

Katja Bernhard, Vorständin des Landesverband Tafel Hessen e. V. im Interview

"Armutsbetroffenen Menschen zuzuhören, sie in den Arm zu nehmen und ihnen Zuversicht zuzusprechen ist kräftezehrend und psychisch belastend - und dennoch jeden Moment wert."

Katja Bernhard ist ehrenamtlich aktiv bei der Tafel. Die 61-Jährige, wohnhaft südlich von Frankfurt, ist seit drei Jahren Vorstandsmitglied der Tafel Hessen und dort für die Pressearbeit zuständig. Sie war viele Jahre aktive Helferin bei einer Orts-Tafel und kennt diese wertvolle Arbeit daher sehr gut. 

Frau Bernhard, die Tafeln haben eine starke diakonische Ausrichtung. Wie prägt dieses diakonische Selbstverständnis Ihre Arbeit und welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit kirchlichen Institutionen?

KATJA BERNHARD: Bei den Tafeln tätig zu sein, steht für mich für gelebte Nächstenliebe. Viele Tafeln arbeiten in Trägerschaft kirchlicher Einrichtungen. Die direkte persönliche Achtsamkeit für die Gemeinschaft ist besonders: Menschen in Not zu helfen, ohne Alter, Geschlecht, Herkunft oder Glauben zu werten, macht die tägliche Tafel-Arbeit zum Einsatz mit Herz und Verstand.

Nicht zu vergessen dabei ist das Zusammenwirken des Tafel-Teams vor Ort! Alle Helfer:innen finden einen ihren Fähigkeiten entsprechenden Platz, oft vollkommen unabhängig von der eigenen beruflichen Laufbahn. Es kommen Charaktere und persönliches Wissen zusammen, die den Erfolg und den „Charme“ der Tafeln ausmachen. Wir sind alle sehr stolz, wie dieses Team-Work gelingt.

Wie finanzieren die Tafeln ihre Mission: Lebensmittel retten und armutsbetroffenen Menschen helfen?

KATJA BERNHARD: Tafel-Arbeit stützt sich auf Geld- und Sachspenden ebenso wie auf die Förderungen von Privatpersonen, Unternehmen, Herstellern und Kommunen. In Hessen leistet außerdem das Land einen bemerkenswerten Beitrag.

Deshalb machen wir beispielsweise durch Publikationen, Veranstaltungen, Pressearbeit auf die Tafel-Arbeit aufmerksam und versuchen Spenden zu akquirieren.

Eine wichtige Funktion übernehmen der Bundesverband Tafel Deutschland und die 13 Landesverbände. Die Verbände vertreten die Interessen der Tafeln im Bund, in den Bundesländern und durch Kooperationen sogar auf internationaler Ebene wie der European Food Banks Federation.

Geld- und Sachspenden sind enorm wichtig für den Fortbestand der Tafeln und die Fortführung der erfolgreichen Arbeit in Hessen und bundesweit.

Wie wichtig sind Ehrenamtliche für die Arbeit der Tafeln und wie gewinnen und betreuen Sie Ihre Freiwilligen?

KATJA BERNHARD: Das ehrenamtliche Engagement ist eine enorme Stütze unserer Gesellschaft. In Hessen engagieren sich über 5.800 Ehrenamtliche bei den 57 Mitgliedstafeln. Aber auch das Engagement der Hauptamtlichen soll an dieser Stelle erwähnt werden.

Ehrenamtliche Mitarbeitende zu finden ist in ständiger Bewegung. Sie müssen immer wieder neu über persönliche Ansprache, Presseartikel, Webseiten, Social Media und Online-Plattformen gewonnen werden. Das ist vor allem wichtig, da bei den Tafeln viele Helfer:innen älter als 60 sind.

Wir sind all unseren Helfer:innen sehr dankbar dafür, dass sie sich ehrenamtlich in den Tafeln engagieren, denn nur so kann die Arbeit fortgeführt werden. 

Menschen wie Wolfgang Dauwe von der Evangelischen Tafelausgabe der Diakonie Düsseldorf engagieren sich ehrenamtlich für die Tafeln in Deutschland.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Tafeln?

KATJA BERNHARD: In meiner Funktion habe ich besondere Einblicke in die hessische Tafelarbeit, die aber sicherlich auch Rückschlüsse auf Herausforderungen in anderen Regionen zulassen. In den vergangenen 5 Jahren standen wir vor Herausforderungen, die niemand ahnen konnte und die Tatkraft, Kreativität und Zusammenhalt brauchten. Die Zahl der Tafel-Kund:innen ist mit Ausbruch der Corona-Pandemie im Februar 2020 und dem Beginn des Kriegs in der Ukraine um bis zu 50% gestiegen. Bis heute ist die Zahl der Hilfesuchenden überproportional hoch, in Hessen kommen aktuell etwa 110.000 Menschen zu den Tafeln. Das hat sogar zu Aufnahmestopps und Wartelisten geführt. 

Daneben sind auch die Mehrkosten im Betrieb, beispielsweise aufgrund der steigenden Inflation, gestiegen. Auch der Fuhrpark muss unterhalten werden, um die Lebensmittelspenden des Handels täglich von den Fahrerteams abzuholen. Tafeln sind mit eigenen Transportern unterwegs, die meistens mit Kühlzellen ausgestattet sind. 

Welche langfristigen Ziele verfolgen die Tafeln, gerade in Zusammenarbeit mit kirchlichen Partnern?

KATJA BERNHARD: Auch in der Zukunft werden Tafeln in Deutschland ihre Arbeit aktiv und kreativ fortsetzen.

Die Akquise von Partnern und die Pflege von Kooperationen ist ständig in Bewegung. Wir als Landesverband werden weiter die Kontakte zu Großspendern pflegen, ein sehr wichtiger Aufgabenbereich der Verbände.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Gewinnung junger Menschen für die Tafel-Arbeit. Die Tafel Jugend soll eine größere Beachtung erhalten und das Miteinander von Alt und Jung zukunftsweisend aufgestellt werden. Dazu zählen selbstverständlich Projekte mit kirchlichen Einrichtungen wie gemeinsame Spendenaktionen, Aktivitäten der jungen Menschen wie den Konfirmanden und Firmlingen, die sich jedes Jahr für die Tafeln vor Ort mit Ideen engagieren. 

Was motiviert Sie persönlich bei Ihrer Arbeit in der Tafel?

KATJA BERNHARD: Menschen zu begegnen. Das Miteinander mit Tafel-Aktiven, Tafel-Kund:innen und Bürger:innen vor Ort tut gut: Menschen, die in Not sind und Hilfe finden, Menschen, die helfen wollen und hier ein solides Konstrukt finden.

Ich habe eine hohe Empathie für Menschen und ihre Schicksale. Armutsbetroffenen Menschen zuzuhören, in den Arm zu nehmen, Zuversicht zuzusprechen ist kräftezerrend und psychisch belastend – und dennoch jeden Moment wert.

Auch ist es immer ein Ansporn, verzehrfähige Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten. Denn in Deutschland werden über 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. 

Mit den Tafeln, Spendern, Handel, Unternehmen und der hessenweiten Politik stehen wir für ein aktives Miteinander.

Gibt es eine besondere Erfahrung, die Sie geprägt hat und die Sie mit uns teilen möchten?

KATJA BERNHARD: Die erste Begegnung mit jungen Frauen und ihren Kindern aus der Ukraine vor ungefähr drei Jahren ging mir sehr nahe. Der Krieg war so schnell so nah und nicht mehr „nur“ in den Medien. Beeindruckt hat mich immer, wie die Geflüchteten Hilfe vor Ort mit großem Respekt und in Bescheidenheit annehmen.

Und nicht zu vergessen: Die Teamarbeit im Vorstand des Landesverbandes Tafel Hessen ist super, das motiviert mich sehr.

 

Frau Bernhard, vielen Dank für die interessanten Einblicke Ihrer wichtigen Arbeit. Die Evangelische Bank unterstützt die Arbeit ihrer Kund:innen regelmäßig mit Spenden. In 2024 erhielten Diakonien und andere Tröger für ihre Tafelausgabestellen insgesamt 60.000 Euro, verteilt auf 13 Einrichtungen. Die Förderbeiträge sind ein Teil der Spendensumme, die durch die Nutzung des „EB-Lebenswert“-Girokontos zustande kam – denn für jedes Konto spendet die EB pro Monat 0,50 Euro für einen sozialen Zweck.

Meine Geschichte in einer nachhaltig lebenswerten Gesellschaft

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